Verkörperte Begegnungen

Focusing
(Felt Sensing)
Was ist Focusing?
Im Focusing arbeiten wir mit einer natürlichen, jedoch oft verlernten, Fähigkeit, nach innen zu spüren, um unsere körperliche Intelligenz über den sogenannten Felt Sense zur Formung und zum Ausdruck kommen zu lassen. Die dabei entstehenden neuen, frischen Versprachlichungen und andere Symbolisierungen lassen wir im Körper resonieren und ermöglichen hierdurch ein Erleben, das schrittweise eine Veränderung, eine Vorwärtsbewegung in unserem Leben ermöglicht.
Was ist der Felt Sense?
Der Felt Sense ist nach Gendlin ein sich immer neu formierendes, aber zunächst unklares, vages Gefühl zu einer bestimmten Lebenssituation, das sich in einer Zone zwischen Bewusstem und Unbewusstem bildet. Aus dem Körperempfinden heraus lassen wir Symbole für dieses Gefühl kommen – Worte, Bilder, Gesten oder Bewegungen – deren Resonanz im Körper wir anschließend wieder nachspüren. Wenngleich das Wissen und die Weisheit des Körpers – und mit ihnen auch der Felt Sense – immer weit mehr sind, als wir auszudrücken vermögen, können die passenden Ausdrucksweisen auf den gespürten Körper zurückzuwirken und dadurch eine Vorwärtsbewegung ermöglichen.
Gendlins Leitfragen
Eugene T. Gendlin, der Begründer des Focusings, wurde in seiner Arbeit als Philosoph und Psychotherapeut von zwei zentralen Fragen geleitet: zum einen von der philosophischen Frage, in welcher Verbindung das innere Erleben und Erfahren zu Sprache, Logik und Bedeutung stehen; und zum anderen von der vorwiegend therapeutischen Frage, wie Veränderungen in der Persönlichkeit möglich werden, die zum Erfolg einer Psychotherapie führen – eine Frage, in der er sich auch von Studien gemeinsam mit Carl Rogers leiten ließ. Gendlin entwarf eine Philosophie des Impliziten, die den Körper vorrangig als eine Interaktion mit der Umwelt versteht, als Körper-Umwelt. Hieraus leitet er das implizite Wissen des Körpers ab, das immer mehr ist als wir je in Worten zum Ausdruck bringen können und das zugleich aller Symbolisierung in Sprache, Bildern, Gesten und Bewegungen sowie der Logik zugrunde liegt. Da wir aus der körperlich gefühlten Bedeutung heraus symbolisieren, und da diese Symbolisierungen, wenn sie als treffend empfunden werden, das Erleben nach vorne tragen, ist es diese Art des Wechselspiels, die Veränderungen in der Persönlichkeit ermöglicht. Das einzig wirklich Beständige sieht Gendlin im Lebensprozess, der stets voran trägt und grundsätzlich zum Leben drängt. Focusing ist die Ermöglichung der Veränderung, die bereits impliziert, aber noch nicht eingetreten ist.
Gendlins Leben
Geboren wurde Gendlin im Jahr 1926 als Kind einer jüdischen Familie in Wien. Es war das „Bauchgefühl“ des Vaters, das die Familie 1938 rechtzeitig vor den Nazis in die USA fliehen ließ. An der University of Chicago studierte Gendlin schließlich Philosophie und promovierte zur Funktion des Erlebens in der Symbolisierung („The function of experiencing in symbolization“). An der University of Chicago machte er auch Bekanntschaft mit dem dortigen Professor für Psychologie und Begründer der „Klientenzentrierten Psychotherapie“ Carl Rogers. Er ließ sich von Rogers zum Psychotherapeuten ausbilden und war, teils in leitender Funktion, an zahlreichen Studien und Forschungsarbeiten beteiligt. Von 1964 bis 1995 unterrichtete er selbst sowohl an der dortigen Philosophie- als auch an der Psychologiefakultät. Er veröffentlichte eine Vielzahl von Büchern, darunter „Experiencing and the creation of meaning. A philosophical and psychological approach to the subjective“ (1962) sowie sein Hauptwerk “A Process Model” (2018), in dem er schließlich eine umfassende Philosophie des Impliziten vorlegte. Er veröffentlichte darüber hinaus eine Vielzahl von Aufsätzen und Beiträgen, darunter psychotherapeutisch besonders relevant „A Theory of Personality Change“ (1964). Er leitete viele Jahre ehrenamtlich eine Gruppe namens „Changes“, anfangs gerichtet an fortgeschrittene Psychotherapie-Studierende, die in ihrer Gemeinschaft psychologische Hilfe anbieten wollten. Bald jedoch ging die Gruppe dazu über, AnruferInnen der Hilfe-Hotline zu ihren Treffen einzuladen und so wurde „Changes“ zu einer inklusiven Selbsthilfe-Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig halfen durch ein spezifisch geschultes Zuhören, welches den Focusing-Prinzipien entsprach. 1970 erhielt Gendlin den „Distinguished Professional Psychologist Award“ der American Psychological Association (APA) für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Psychotherapie. Als Selbsthilfe-Leitfaden außerordentlich bekannt wurde sein Buch „Focusing“ (1978). Unter TherapeutInnen bekannt sind vor allem „Focusing-orientierte Psychotherapie. Ein Handbuch der erlebensbezogenen Methode“ (1996) sowie sein Sammelband „Focusing in der Praxis. Eine schulenübergreifende Methode für Psychotherapie und Alltag“ (1999).